Got Flow?

Neulich Abend war ich richtig im Flow – dachte ich zumindest. Ich hab‘ die Staubschicht auf meiner Kommode nicht mehr ausgehalten und erstmal instinktiv angefangen, alles aufzuräumen und Staub zu wischen. Plötzlicher Motivationsverlust. Halb aufgeräumt ist ja besser als gar nicht, oder? Tja, das ist dann wohl nicht der Flow, über den geredet wird, wenn Menschen einer ihrer Leidenschaften nachgehen und sie in einen ganz besonderen Zustand geraten. Aber wie zur Hölle komme ich da rein?


Flow oder Tunnel

Ich sitze mit einer Freundin und einem Freund in der Küche, am Kühlschrank klebt ein Sticker mit “Got Flow?”, wir quatschen, trinken Kaffee und reden über dies und jenes. Dann kommt irgendwie das Thema Flow auf. Wann ist man in diesem Zustand? Vergisst man Zeit und Raum? Mein Kumpel erzählt, dass er das beim Fahrradfahren hat. Einfach Gehirn aus. Fahren, fahren, irgendwann ankommen. Es macht ihm einfach Spaß. Meine Freundin und ich denken nach. Haben wir sowas auch? Hm, also ich irgendwie nicht. Beim Autofahren hatte ich das mal, hab Musik gehört, es war leer auf der Autobahn, schöne entspannte 130km/h auf der rechten Spur. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich 120 km zurückgelegt hatte, ohne es wirklich gemerkt zu haben. Da war ich aber schon eher Tunnel als im Flow

Besagte Freundin und ich haben uns zwei Tage später nochmal darüber unterhalten. Haben wir sowas? Eine Leidenschaft, die wir ausleben, nur um dieser Tätigkeit nachzugehen und vor allem: Geraten wir dabei in den Flow, vergessen alles um uns rum? Sie vermutet, dass sie das manchmal hat, wenn sie Power-Point-Präsentationen macht. Da sind ihre Skills auch wirklich beeindruckend. Aaaaber…. leider nichts für mich.

Wikipedia sagt, dass…

Lese ich den Wikipedia-Artikel über den Flow-Zustand, wird mir schon ein bisschen angst und bange. Kann ich das überhaupt erleben? Beim Flow-Zustand (keine Sorge, ich werde jetzt nicht den ganzen Wikipedia-Artikel wiedergeben) kommt es nämlich darauf an, dass man die Tätigkeit der Tätigkeit wegen ausführt und nicht der Folgen wegen. Deswegen kann man den Flow-Zustand den Tätigkeitsanreizen zuordnen. Mensch, das klingt toll! Eine Tätigkeit nur einer Tätigkeit wegen auszuüben.  Dabei vielleicht sogar kurz in Ekstase geraten, weil man es so liebt. Zimmer aufräumen und „putzen“ mache ich definitiv nur, damit ich danach dann wieder normal in meinem Zimmer leben kann, nicht weil ich das so liebe. Also kein Flow.

Dann sehe ich, wie eine meiner besten Freundinnen aus einer Ikea-Kommode ein absolut krankes Designerstück macht, tolle Bilder malt und ihre Wohnung einrichtet, weil sie es liebt. Natürlich irgendwie auch, weil sie mit den „Folgen leben“ will, aber sie macht es schon auch einfach, weil es ihr Spaß macht. Ehrlich gesagt weiß ich jetzt nicht so genau, ob sie da in diesem Flow ist, aber es ist auf jeden Fall ihre Leidenschaft. 

Wellen im Flow

Manchmal bin ich schon ein bisschen neidisch, weil ich sowas einfach nicht habe. Was mache ich, nur um es zu machen? Irgendwie hat dieses Thema angefangen mich zu triggern und jetzt denke ich ständig darüber nach, ob ich überhaupt schon mal im Flow war oder gerade bin. Kurze Info: So gerät man auf gar keinen Fall in den Flow-Zustand. 

Ausgelöst kann dieser Zustand aber durch alle Sinne werden. Laut Wikipedia zum Beispiel beim Sehen, wenn man etwas von besonderer Schönheit sieht. Berge, Blumen, Meer. Ich hab schon mal am Strand gesessen, einfach auf die Wellen geschaut und nichts gemacht. Nur auf die Wellen geschaut. Ob ich da im Flow war – keine Ahnung. 

Oft geraten Leute bei den Sportarten, in denen sie gut sind, in diesen Zustand. Schade, schon wieder nichts für mich. Bei Programmierer:innen kann es passieren, wenn sie sich intensiv mit ihrem Code beschäftigen – definitiv nichts für mich.

It’s okay

Ich bin jedenfalls zu dem Schluss gekommen – zumindest rede ich mir das ein – dass es nicht schlimm ist, dass ich das nicht kenne oder in diesem Zustand bin. Irgendwann werde ich’s vielleicht sein, irgendwann finde ich eine Leidenschaft, die mich so erfüllt wie andere das Radfahren. Und wenn nicht, dann gibt es trotzdem viele Dinge, die ich gerne mache, auch wenn sie Folgen haben, für die ich sie mache und für die ich sie vor allem gerne mache. Kochen zum Beispiel.


Von Cilli (25): Cilli gibt gerne Blödsinn von sich. Deshalb sind auch hier die ein oder anderen Texte mit ihrer zynischen Ironie gespickt, die uns alle immer wieder zum Lachen und Nachdenken bringt (“war das jetzt ernst gemeint?”). Sie ist außerdem eine wunderbare Zuhörerin, weshalb sie sich regelmäßig in die Lage anderer hineinversetzt und daraus einfühlsame Porträts zaubert.

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