Vielleicht steht’s in den Sternen

Astrologie ist eine Pseudowissenschaft, Horoskope nur Humbug und Sternzeichen sagen nichts über den Menschen aus – sehe ich grundsätzlich genauso. Wenn ich aber mal wieder mit einem Gesprächs-Opener überfordert bin, greife ich trotzdem auf das Thema zurück. Und meistens klappt das sogar ganz gut.


Erst vor Kurzem auf dem Weg nach Hause aus einer Bar, in der Fremde zu Freund:innen wurden, die sicher genauso schnell erneut zu Fremden werden, ist es mir wieder passiert. Irgendjemand aus der Gruppe nennt sein Geburtsdatum – und in mir steigt diese eine Reaktion auf, die ich eigentlich aus meinem Konversationsrepertoire verbannen wollte. Aber auch dieses Mal schaffe ich es nicht: „Der 25. November, ein Schütze also“. Dazu noch ein bedeutungsschwangerer Blick. „Ja und was sagt dir das jetzt über mich?“ 

Spätestens bei dieser Frage endet mein spärliches Wissen zu Astrologie dann auch schon wieder. Ich kann höchstens noch erzählen, dass zwei meiner engsten Freundinnen Schütze sind und ich sie immer als entspannte und angenehme Personen erlebt habe. Wie der Schütze als solches aber wirklich sein soll – davon habe ich keinen Plan. Warum ich trotzdem immer wieder neue Personen auf ihr Sternzeichen anspreche, ist mir selbst ein Rätsel. 

Eat salt today!

Irgendwie scheint mich das Thema ja doch zu faszinieren. Ich weiß, dass ich eine Waage bin, im Aszendenten Krebs und mein Mondzeichen ist Wassermann. Sogar meine Birth-Chart habe ich schon ein-, zweimal gesehen. Statt Marburg-Memes zeigen mir meine Instagram-Recommendations fast ausschließlich Waage-Posts. Wenn eine Freundin zwischenzeitlich mein Bumble-Profil übernimmt, sind die Sternzeichen der potenziellen Matches zwar nicht unbedingt ausschlaggebend für die Swipe-Richtung, aber zumindest fallen sie uns auf.

Die Push-Benachrichtigungen, die mir Co-Star, die überaus vertrauensvolle, hyper-personalized Astrologie-App jeden Tag auf mein Smartphone sendet, lese ich auch gerne: Confidence is yours for the taking today ist ja sogar noch irgendwie nett, wenn dann aber etwas aufploppt wie Eat salt today finde ich es doch lächerlich. Danke Co-Star, deinetwegen werde ich mein Essen heute sicher nicht versalzen (das schaffe ich bei meinen Kochkünsten auch so).  

Wirklich tiefergehend habe ich mich aber noch nie mit der Astrologie auseinandergesetzt. Ich halte es doch für zu unwahrscheinlich, dass irgendwelche Sternkonstellationen bei meiner Geburt genau bestimmen sollen, wer ich bin und wie ich mich verhalte. Trotzdem greife ich immer wieder auf dieses Thema zurück – vor allem in Gesprächen mit Personen, die ich nicht gut kenne – und rede mir ein, das sei wegen meiner mangelhaften Konversations-Skills. Zu Astrologie kann dann doch jeder etwas sagen. Wenn auch nur, dass man sie für kompletten Blödsinn hält und eigentlich nichts davon wissen will.

Harmoniebedürftig und entscheidungsscheu

Meistens läuft es aber anders ab, wenn ich mein gefährliches Halbwissen – das auch diesen Beitrag prägt – zum Sternzeichen meines Gegenübers teile. Dann spreche ich auch mal mit einem Stier, auf den es eben gerade nicht zutrifft, dass er ein ruhiger Genießertyp ist und auch wirklich faul sein kann (zumindest bilde ich mir ein, das einmal über Stiere gelesen zu haben). Trotzdem  entsteht dadurch ein Gespräch über die Person und ihre Charaktereigenschaften oder zumindest darüber, wie sie sich selbst einschätzt. 

Da häufig die Frage nach meinem eigenen Sternzeichen und der Bedeutung dahinter folgt, kann ich auch gleich noch ein bisschen etwas über mich teilen – ganz nach meinen Wünschen dosiert. Dass Waagen sehr harmoniebedürftig und kreativ sind, gebe ich auch ganz offen preis. Dass wir keine Entscheidungen treffen können, ist für mich sogar eine gern genutzte Ausrede in jeglichen Lebenssituationen. Dass Waagen gerne flirten und sich nach Bestätigung von außen sehnen, lasse ich dann aber schon nicht unbedingt jede:n Gesprächspartner:in über mein Sternzeichen – und damit vermeintlich auch irgendwie über mich – wissen.  

Dieser Gesprächs-Opener funktioniert sicherlich nicht bei jeder Person. Statista zeigt mir aber gerade, dass 47 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer in Deutschland mindestens „manchmal/etwas“ an Astrologie und Horoskope glauben. Und solange auch der Rest auf meine Sternzeichen-Gesprächseröffnung statt mit Augenrollen mit einem kleinen Einblick in die eigene Persönlichkeit reagiert, werde ich die Welt weiterhin ungefragt mit meinem ungesicherten Astrologie-Wissen erfreuen.


Von Lena (23): Lena ist kein nachtragender Mensch. Aber über die Unkreativität ihrer Eltern bei der Namensgebung ist sie immer noch nicht ganz hinweg. Als hätte unsere Generation nicht schon genug damit zu tun, sich ständig abzuheben, muss Lena sich auch noch im Meer der Lenas behaupten. Sie fasziniert die Menschen um sich herum als Zuhörerin und Freundin. Als wissbegieriges Kind und seriöse WDRlerin. Als aufmerksame Beobachterin und politisch interessierte Journalistin.

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