Die unangenehme Unausweichlichkeit unangenehmer Telefonate

Unangenehme Dinge werden oft nicht weniger unangenehm, wenn man sie aufschiebt. Klar, weiß ich doch. Ist mir aber egal, wenn ich mich mal wieder um ein unangenehmes Telefonat drücke. Und ehrlich? Lange Zeit bin ich damit wunderbar durchs Leben gekommen. Bis mir dieses Verhalten dann doch auf die Füße gefallen ist.

Face reality as it is, not as it was or as you wish it to be“, sagte einst der weise US-Unternehmer Jack Welch – von dem ich vorher noch nie etwas gehört habe und auf dessen Zitat ich nur gestoßen bin, weil ich unbedingt einen tiefgreifenden Eingangsspruch an den Anfang dieses Beitrags stellen wollte. Und zwar nur, um dann ganz glaubwürdig zu untermauern, dass ich ein absolut seriöser, in der Realität lebender Mensch bin, der auch so absolut gar kein Problem damit hat, sich auch mal den weniger spaßigen Angelegenheiten des Lebens zu widmen. Mit der Frau vom Bafög-Amt telefonieren, habe ich absolut kein Problem mit! 

Jetzt zu den Fakten: John Welch ist seit zwei Jahren tot. Das Zitat ist super random und würde sich besser als Wandtattoo bei irgendeiner Moni machen als in meinem Text. Und auch wenn ich die Reality im Großen und Ganzen so face, wie sie ist, gibt es natürlich Angelegenheiten, die ich einfach aus ihr verbanne. Beim Bafög-Amt anrufen zum Beispiel. Ist für mich ‘ne Unannehmlichkeit, die keinen Platz in meinem Leben findet – genau wie eigentlich alle anderen Telefonate, in die weder meine Familie noch meine Freund:innen involviert sind. 

Nein, ich mag nicht bei Saturn anrufen

Ich mag einfach keiner Sprechstundenhilfe am Telefon erklären müssen, warum ich ganz dringend einen Notfalltermin bei der Gynäkologin brauche. Ich mag mich auch nicht vor irgendeinem Versicherungs-Andreas dafür rechtfertigen müssen, warum ich denn seit zwei Jahren keine Hausrat mehr habe. Nein, ich mag nicht mal bei Saturn anrufen und irgendeinen völlig unterbezahlten Hotline-Studi fragen, ob ich die Kopfhörer jetzt doch noch zurückgeben kann. 

Also schiebe und schiebe ich diese Unannehmlichkeit auf. Manchmal bis in die Unendlichkeit. Das Problem an dieser Taktik? Oft funktioniert sie. Wenn das Bafög-Amt nämlich zwanzigmal versucht, mich anzurufen und ich auch beim einundzwanzigsten Mal nicht rangehe, dann schreiben sie irgendwann eine Mail. Bis heute pflege ich regen Mailverkehr mit meiner Sachbearbeiterin. Grüße gehen raus an Tatjana. Mit meinem Hausarzt, meiner Therapeutin oder der Wohnungsgesellschaft kommunizier ich jetzt ebenfalls ausschließlich schriftlich. Na also, klappt doch. Gut, die Kopfhörer muss ich jetzt behalten. Aber was sind schon 20 Euro gegenüber einem unangenehmen Telefonat? 

300 verpasste Anrufe und eine teure Handyrechnung

Ein Abendessen beim Asiaten einschließlich einer 0,5 ml Cola, ist die Antwort. Und der Beweis dafür, dass es manchmal eben doch nicht klappt. Anfang des Jahres ist meine „Strategie“ dann aber doch nochmal richtig in die Hose gegangen. Drei Monate hat meine Lieblingstelefongesellschaft verzweifelt versucht, mich anzurufen. Unbekannte Nummern stehen auf meiner Schiebe-Liste natürlich ganz oben und die freundliche Anrufbeantwortet-Bitte, zurückzurufen, habe ich getrost auf den Sommer 2030 vertagt. 

Erst durch die Handyrechnung vom März und meinen daraufhin beginnenden Mail-Verkehr mit besagter Telefongesellschaft habe ich dann erfahren, dass mein Vertrag seit Monaten abgelaufen ist und ich jetzt lässige 30 Euro im Monate zahle. Ein bisschen tragisch wurde es dann, als ich erfahren habe, dass sich zwischen den vermeintlichen 300 O2-Anrufen auch die Nummer einer Firma versteckt hat, die mir ein Angebot für einen Nebenjob machen wollte. Die Betonung liegt auf wollte. 

Das war sie also, die ultimative Schiebung. Und was lernen wir daraus? Kann man schon so machen wie ich. Ist dann halt scheiße.

Von Alex (25): Alex schreibt am liebsten über Erfahrungen, Gefühle und Erlebnisse, nachdem sie ihre eigenen Gossip Girl-Romane hinter sich gelassen hat. Sie hat es drauf, so zu schreiben, dass man sich abgeholt fühlt und relatet, obwohl man vorher vielleicht nicht wusste, dass man das gefühlt hat; geschweige denn, wie man es hätte ausdrücken sollen. Mit ihrer ansteckenden guten Laune ist sie ein richtiger Herzensmensch, der fantastische Rotwein-Spaghetti zaubern kann.

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