Hurra, mein Zyklus ist da – Teil 2

Die Stimmung verbessern und endlich keine Hormone mehr nehmen – für mich sprach alles für ein Leben ohne Pille! Deshalb habe ich, wie viele andere in meiner Bubble auch, die Pille nach drei Jahren abgesetzt. Dass das aber keine Lifestyle-Entscheidung ist, die man unüberlegt treffen sollte, wurde mir erst bewusst, als ich mir die Spirale einlegen lassen habe und mein natürlicher Zyklus zurückkam.


Hier kommst du zu Teil 1

Mein Entschluss war gefasst: Pille raus, Spirale rein. 

Sechs Wochen später sitze ich auf dem beinespreizenden Untersuchungsstuhl – nervös und erleichtert zugleich. Auf diesen Tag habe ich sehnsüchtig gewartet. Weil die Spirale während der Blutungen eingesetzt werden muss, habe ich die Pille noch bis kurz vor dem geplanten Termin eingenommen. 

Jetzt muss ich für mein “neues” Leben nur noch diese letzte “unangenehme” Hürde überwinden. Ich versuche ruhig zu atmen, denn: Panik wird mir jetzt nicht helfen. Doch mein Körper hat schon in den Stressmodus umgeschalten: Meine Hände sind ganz klebrig vor Angstschweiß. Während ich verkrampft versuche, mich wieder zu entspannen, bereiten meine Gynäkologin und ihre Assistentin routiniert den Eingriff vor. Das glänzende Besteck wird auf dem kleinen Tisch neben meinem linken Fuß bereitgelegt. Es sieht kalt, hart und irgendwie angsteinflößend aus. Komisch zu sehen, mit was da gleich in meinem Körper herumhantiert wird. Daneben liegt die  Spirale. Die habe ich selbst ein paar Tage vorher in der Apotheke gekauft. 

“Bereit?”, ich nicke und kralle mich an den Armlehnen fest.

No pain no gain?

Dann geht alles ganz schnell und dauert gleichzeitig viel zu lang. “Ausatmen, ganz entspannt”, sagt die Gynäkologin und setzt mit ihren Instrumenten an mir an. Ich atme holprig aus und spüre, wie sie plötzlich mit aller Kraft etwas Spitzes in meinem Unterleib schiebt und damit einen fleischlichen Widerstand durchstößt: meinen Muttermund. Der Schock und der Schmerz drücken mir fast die Augen aus dem Kopf. WHAT THE FUCK? Das soll “unangenehm” sein? Wohl eher schmerzhaft AS FUCK! Ich versuche mich weiter auf meinen Atem zu konzentrieren (“ja sehr gut, atmen Sie einfach weiter”) aber das ist gar nicht so einfach, wenn jemand im eigenen Körper herum stochert. 

Kurzer Einschub: Die Spirale wird in die Gebärmutter eingelegt. Der Weg dahin führt zwangsläufig durch den Muttermund. Und wenn sich davor noch nie ein Baby durch ihn gezwängt hat, ist der noch recht eng. (Mehr Infos hier)

Von einer Freundin habe ich im Nachhinein erfahren, dass sie die Spirale unter einer Narkose eingesetzt bekommen hat, weil ihr Arzt davon überzeugt ist, dass man den Schmerz nicht aushalten muss. Bei mir war nur eine Ibu 600 und eine andere wundersame Tablette drin, die den Schmerz erträglicher und meinen Muttermund weicher machen sollten. 

Einige Minuten später sitze ich immer noch auf dem Stuhl, meine Beine mittlerweile nicht mehr gespreizt, sondern angezogen. Die Spirale “sitzt jetzt sehr gut” in meiner Gebärmutter und ich versuche klarzukommen. Die “Durchstech-Schmerzen” sind zum Glück vergleichsweise schnell abgeklungen. Nur habe ich jetzt Menstruationsschmerzen aus einem anderen Universum. So muss es sich anfühlen, wenn man in den Wehen liegt, denke ich. Und: Wenn eine Geburt auch nur ansatzweise so weh tut, will ich das jetzt sowieso nicht mehr erleben! 

Dieser Eingriff und die Spirale werden übrigens nicht, wie die Pille, bis zum 21. Lebensjahr von der Kasse übernommen. Ich muss also noch 175 Euro zahlen. Als auch das geschafft ist, verlasse ich schmerzgeplagt die Praxis und bin gottfroh, dass ich abgeholt werde.

Auf in ein rosarotes Leben ohne Pille 

Die Tage danach sind getrübt von Schmerzen und auch ein bisschen vom Schock. Aber nach und nach geht meine emotionale Achterbahn tatsächlich bergauf. Ich bin endlich wieder entspannt und glücklich. Viel seltener als in der ganzen Zeit vor dem Absetzen mache ich mir übertriebene Sorgen und verliere mich in Katastrophengedanken. “Endlich ist alles besser”, freue ich mich.

Schon nach vier Wochen kommt meine erste “richtige” Periode wieder, erfreulicherweise punktgenau nach den üblichen 28 Tagen. Schon beeindruckend, wie schnell mein Körper sich an die Umstellung gewöhnt hat. Auch ansonsten habe ich nur sehr wenig körperliche “Nebenwirkungen” vom Absetzen. Meine Brüste sind ein bisschen kleiner und ab und zu wachsen ein paar mehr schwarze Haare am Kinn oder Bauch. Dafür ist aber meine Haut um Welten besser – mit der Pille hatte ich ständig Pickel am Kinn (der Hormon-Zone). 

Mit den Vorwehen der ersten Blutungen rutscht aber auch meine Stimmung das erste Mal seit dem Absetzen wieder so richtig in den Minusbereich. Für mich nicht verständlich. Ich habe doch extra die Pille abgesetzt! Das sollte doch der Schlüssel zu meinem unendlichen Glücklichsein werden.

Schmerzlich muss ich feststellen, dass ich mit meinen Erwartungen eindeutig die Realität verfehlt habe. Da stand ich nun, habe schon mein halbes Leben meine Periode, drei Jahre davon die Pille genommen, sie jetzt wieder abgesetzt, weil ich “keine Hormone mehr wollte” und mich trotzdem noch nicht damit auseinandergesetzt, was die Hormone eigentlich Monat für Monat in meinem Körper veranstalten und wie sich das tatsächlich auf meine Stimmung auswirkt.

Weil das wirklich zum Grundwissen jedes Menschen (mit oder ohne Uterus) gehören sollte nochmal ein

Medizinischer Exkurs in leicht verständlicher Sprache: 

Den Zyklus zu verstehen fällt einfacher, wenn man ihn wie einen Jahreszeiten-Kreislauf betrachtet: Die Menstruation als Winter ist der Beginn. In dieser ersten Zyklus-Woche ist die Konzentration der Hormone (Östrogen, Progesteron, LH und FSH) am niedrigsten. Nach der Periode, im Frühling, kommt es zu einem Aufschwung des Hormon-Levels von Östrogen, LH und FSH: Wir sind motiviert und konzentriert, haben Ausdauer und gute Laune. In dieser Phase reift eine Eizelle im Eierstock heran. Im Sommer, so ca. in der dritten Zyklus-Woche, ist dann der Eisprung. Kurz vorher hat das Östrogen seinen Höhepunkt erreicht und damit auch die Libido: Jetzt ist die beste Zeit, Kinder zu zeugen. Nach dem Eisprung steigt das Progesteron-Level an, um die Gebärmutterschleimhaut perfekt für die eventuell befruchtete Eizelle vorzubereiten. Der Herbst hat begonnen. Viele klagen über depressive Verstimmungen in dieser Zeit, was PMS (prämenstruelles Syndrom) genannt wird. Wenn die Eizelle nicht befruchtet wurde, stößt die Gebärmutter die Schleimhaut wieder ab. Es ist wieder Winter, wir bluten, haben Schmerzen und die Hormone sind wieder am Tiefpunkt.
Man kann also sagen, zwei Wochen im Monat haben wir ein krasses Hoch – dafür sind die anderen zwei Wochen aber auch eher mies: Krasse Schwankungen oder? Und mit der Pille ist  das eben nicht ganz so. Da liegt ein konstantes Level von Östrogen und einem Progesteron-ähnlichen Hormon vor, sodass keine Eizelle heranreifen und sich einnisten kann. Mit der Pille herrscht also durchgängig Spätsommer und Herbst. Und Winter wenn die Entzugsblutungen einsetzen. (Quellen bzw. detailliertere Ausführung: MaiLab und Quarks YouTube bzw. Online)

PMS – du Bitch

Seitdem ich das alles weiß, tracke ich mit einer Zyklus-App meine “Symptome”. Erst durch dieses genaue Hinsehen habe ich realisiert: Ich habe PMS. Manchmal stärker, manchmal schwächer. Aber jeden Monat vor meiner Periode kann ich mich auf eine ordentliche Portion Müdigkeit und Traurigkeit einstellen.

Eine Freundin hat letztens diesen weisen Satz gesagt: “Mit PMS habe ich das Gefühl permanent einen Schleier auf dem Herzen zu tragen.” Bei mir hängt sogar zusätzlich Gewicht dran. Ich fühle mich fremd in meiner Haut und mein Kopf ist vollgequalmt mit stinkenden Gedanken. Sie schreien “alle hassen dich”. Paradoxerweise hasse ich aber auch alle um mich herum. Und es braucht nicht viel, um mich zum Weinen zu bringen: traurige Musik, Überforderung, ein Witz auf meine Kosten…

Die Wende kommt dann nach meinen Tagen: Ich strahle sowohl äußerlich als auch innerlich. Mein Körper ist dann mein wohliges Zuhause, mein Kopf durchlüftet und leicht. Aber ist das jetzt besser als mit Pille? Ich finde schon. Denn ich habe das Gefühl, die Strahle-Tage helfen mir schneller aus kleinen Krisen heraus. Ich regeneriere mich sozusagen automatisch und spüle mein Hirn und Herz in dieser Zeit ordentlich durch. 

Learning by doing  

Außerdem kann man mit diesem Wissen versuchen, den Zyklus bewusst zu nutzen. Zum Beispiel wichtige Termine wie Vorstellungsgespräche auf die guten Wochen legen und sich dafür in den schlechten Wochen eher Pausen einplanen. Stress, Streit und Aufregung vertragen sich zum Beispiel nicht gut mit PMS. Und auch Koffein und Alkohol können es schlimmer machen. Auf all das versuche ich zu achten. Und auf Rat meiner neuen Gynäkologin habe ich mir jetzt auch Mönchspfeffer zugelegt. Ich lerne also nach und nach meinen Körper kennen und auf ihn zu hören. 

Und ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung. Aber vor allem, weil ich jetzt verstehe, wie mein Körper funktioniert und was die Hintergründe für meine Stimmungen sind. Es hilft mir, besser damit klar zu kommen und es irgendwie akzeptieren zu können. 

Trotzdem sollte die Pille, ebenso wie sie nicht leichtfertig verschrieben werden sollte, auch nicht wie ein Lifestyle-Produkt abgesetzt werden. Denn wenn du, wie ich, die Stimmungsschwankungen loswerden willst, solltest du dich erst über PMS und Zyklusschwankungen informieren. Wobei du das ja hiermit eigentlich schon getan hast 😉


Von Chiara (25): Chiara mag stilles Wasser, aber still ist sie selbst nicht gerade – ganz im Gegenteil. Sie tanzt durch’s Leben und spricht und schreibt über Feminismus, Nachhaltigkeit und mentale Gesundheit. Sie ist Kopf- und Herzmensch zugleich, Ungerechtigkeit macht sie wütend und sie hat eine Schwäche für die Kardashians, gutes Essen und die Menschen, die sie liebt.

Das wunderbare Beitragsbild ist aus der Feder von Imke Bolz.

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