Wie viele Menschen in meinem Alter verbringe ich jede Menge Zeit auf Instagram. Hier mal in der Bahn durch die Story einer Influencerin geswiped, da mal beim Abendessen durch den Feed meiner Nachbarin gescrollt. Das ist unterhaltsam und wunderbar ablenkend – tut mir allerdings oft alles andere als gut. Weil es durch unrealistische Schönheitsideale mein Selbstwertgefühl verfärbt.
Ach Instagram, du heiligstes aller Sozialen Medien. Wie wahrscheinlich viele Nutzer:innen, verbindet mich und das bonbonfarbene Kamera-Logo eine richtige Hassliebe. Nur einen Klick entfernt verwandelt sich die App in einen treuen Retter, der mir jede noch so kleine Lücke im Alltag mit Inhalt füllt und meine Gedanken mit seinen perfekt aufeinander abgestimmten Bilderwelten vernebelt. Oft belustigt mich Instagram. Dann lache ich über ein Meme oder die Story von Toyah Diebel. Wenn es richtig gut läuft, werde ich sogar informiert. Zum Beispiel darüber, warum es absolut nicht cool ist, Witze über K.O.-Tropfen zu machen. Oder wie es im Mallorca Beach Ressort aussieht, wo meine ehemalige Mitschülerin gerade Urlaub macht.
Viel zu oft aber bereitet Instagram mir Bauchschmerzen. Weil es mir das Gefühl vermittelt, nicht gut genug zu sein. Egal, wo ich hingucke, treffe ich auf professionelle “Content-Creator” oder Menschen, die es gerne wären. In glanzvoll hochpolierte Feeds reihen sich Bilder von endlos langen Beinen, schneeweißen Zähnen, riesigen Hintern und perfekt gestylten Lockenmähnen.

Während mir solche Schönheitsideale in einer kaum mehr vorstellbaren Zeit vor den Sozialen Medien noch vergleichsweise schüchtern aus dem Fernsehen oder von der Litfaßsäule neben dem Einkaufszentrum zugelächtelt haben, tanzen sie mir jetzt bei jedem Scroll durch das bunt-glitzernde Instagram-Universum hartnäckig vor der Nase herum.
Das vermeintlich bessere Leben als vermeintlich schönerer Mensch
Es gibt Tage, da stecke ich das gut weg. Dann kommt die Rationalistin in mir zum Vorschein und ich weiß, wie realitätsfern dieser Teil von Instagram ist. Oft genug aber ertappe ich mich dabei, wie ich mich plötzlich kritisch beäuge. Wie ich darüber nachdenke, diese bescheuerte Shake-Diät auszuprobieren oder ein paar Euro in das neue Bleaching-Kit von Secret Smile zu investieren. Wie ich mich darüber ärgere, nicht genug Sport zu machen. Nicht immer gesund zu essen. Ich bin dann von mir selbst genervt. Von meiner fehlenden Disziplin, meiner oft unreinen Haut oder den viel zu fisseligen Haaren.
Wenn es richtig schlecht für mich läuft, rutsche ich immer weiter runter auf meiner regenbogenfarbenen Instagram-Gedankenspirale – bis ich ernsthaft anfange, zu glauben, dass das Leben vielleicht ein besseres, schöneres, sorgenfreieres wäre, wenn mein Körper irgendeinem vermeintlichen Ideal entspräche.
Auf diese Phase, in der ich gedanklich schon eine Botox-Injektion in der Stirn kleben habe, folgt meistens pure Wut. Darüber, dass ich einer virtuellen Fotoplattform die Macht erteile, über mein Selbstwertgefühl zu herrschen. Weil – mal mehr, mal weniger tief in mir vergraben – weiß ich, dass ich gut genug bin. Und dass ich dafür weder einen Six Pack noch makellos glatte Haut brauche. Ich weiß, dass weder meine Familie noch meine Freund:innen mich darüber definieren, ob ich perfekt manikürte Fingernägel habe oder meine Haare stundenlang durch ein Glätteisen gezogen wurden. Und ich weiß auch, dass davon bestimmt nicht mein Lebensglück abhängt.
Nur mal kurz gucken
Mir das immer und immer wieder bewusst zu machen, kostet trotzdem Kraft und Zeit. Deswegen muss und will ich mich nicht mehr ständig diesen Gefühlen aussetzen – und habe Profilen entfolgt, die sie in mir ausgelöst haben. Und sie durch solche ersetzt, die näher an mir und meiner Realität sind. Denn natürlich bietet Instagram noch mehr als große Brüste und flache Bäuche. Es gibt ganz viele Menschen auf dieser Plattform, die die tatsächliche Diversität von Körpern sichtbar machen und propagieren – und auch mich oft zu mehr Selbstliebe ermuntern.
Die Wahrheit ist aber auch: So richtig erfolgreich auf Instagram ist eben doch, wer den klassischen Schönheitsidealen entspricht. Und die Wahrheit ist auch, dass mich meine Selbstschutzmechanismen nicht davon abhalten, masochistisch Namen in die Suchleiste zu tippen – nur mal kurz gucken! Nur mal kurz gucken, was die heute so postet. Nur mal kurz gucken, wie die heute aussieht. Mein Algorithmus nutzt das. Und meine Explore-Page ist dann doch wieder voll von idealisierten Körpern.
Ein Instagram-Limit ist für mich aus vielen Gründen sinnvoll; aber 30 Minuten am Tag reichen manchmal trotzdem, um mich selbst wieder scheiße zu finden.
Es fällt mir schwer, Instagram komplett zu löschen. Weil es eben doch mehr ist als perfekte Körper und makellose Haut. Vernetzung, Diversität, Memes, Politik und Freund:innen sind ebenfalls Teil dieser Plattform – obgleich Schönheit vielleicht der schillerndste und lauteste ist. Der, der mich am meisten anzieht und der, vor dem ich mich am meisten schützen muss. Immer und immer wieder.

Von Alex (25): Alex schreibt am liebsten über Erfahrungen, Gefühle und Erlebnisse, nachdem sie ihre eigenen Gossip Girl-Romane hinter sich gelassen hat. Sie hat es drauf, so zu schreiben, dass man sich abgeholt fühlt und relatet, obwohl man vorher vielleicht nicht wusste, dass man das gefühlt hat; geschweige denn, wie man es hätte ausdrücken sollen. Mit ihrer ansteckenden guten Laune ist sie ein richtiger Herzensmensch, der fantastische Rotwein-Spaghetti zaubern kann.
Alexandra schreibt wie eine Göttin, pennt nach dem Trinken meistens allerdings direkt ein! – Da gibt es tatsächlich Nachholbedarf.
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