Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind, sondern bei vielen Menschen der ewig gleiche Vorsatz: gesünder leben! Auch ich nehme mir Jahr für Jahr vor, auf der einen oder anderen Party weniger zu sein, mehr zu schlafen und Leber und Lunge an den Wochenenden ein bisschen pfleglicher zu behandeln. Da gibt es nur einen klitzekleinen Haken, der mir dieses Vorhaben immer wieder versaut: meine Liebe zur Ekstase.
Der 1.1. eines neuen Jahres klingt für mich nach einem ziemlich guten Datum, um ewig vor mir hergeschobene Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen. Jahr für Jahr nehme ich mir felsenfest vor, weniger Alkohol zu trinken, keine Zigaretten mehr zu rauchen, mehr zu schlafen und dafür endlich eine richtige Sportmaus zu werden, der man die schweißtreibenden Workouts auch ansieht. Jahr für Jahr scheitert dieses Vorhaben direkt an einem dicken Kater, der mich so semi-elegant ins neue Jahr geleitet und mich fühlen lässt, als hätte ich das komplette Sortiment eines Spirituosengeschäfts durchprobiert. Und weil das Einzige, was diesen Kater adäquat auffangen kann, bestimmt kein Sport, aber Chili Cheese Nuggets sind, muss mein neues gesundes Leben doch noch einen Tag aufgeschoben werden. Praktisch, dass das dieses Jahr auf einen Montag fällt. Der eignet sich nämlich mindestens genauso gut für Neuanfänge wie der Jahresanfang. Wenn es denn nur ein Neuanfang wäre.
„Mein Körper ist ein Tempel“
Natürlich braucht man weder einen Montag noch ein neues Jahr, um damit anzufangen, den eigenen Körper mit ein bisschen mehr Bedacht zu behandeln. Trotzdem kann in Bezug auf Alkohol so ein Dry January noch mal ein bisschen mehr motivieren, die Finger von der Rotkäppchen-Flasche zu lassen; zumal es natürlich leichter fällt, keinen Alkohol zu trinken, wenn deine Mitmenschen es auch nicht tun. Und auch wenn ich aufgrund zahlreicher Geburtstagsfeiern im Januar ein half vor das dry stellen muss, habe ich zumindest eine zweiwöchige Pause eingelegt – und mich schon nach einer Woche ohne Alkohol und Zigaretten wie die heilige Mutter Theresa gefühlt. „Alkohol? Ich? Ne! Mein Körper ist ein Tempel.“
Auch wenn ich den Dry January nicht eisern durchgezogen habe, taten mir schon die zwei Wochen ohne das Nervengift ziemlich gut. Ziemlich belebend so ein Sonntag ohne Kater und ziemlich groß diese Lungenkapazität beim Sport ohne Zigaretten an den Tagen davor. Auch schön, Dopamine und Endorphine mal beisammenzuhalten und nicht die ganze Woche damit beschäftigt zu sein, die leeren Speicher wieder aufzufüllen. Ganz zu schweigen von den Unmengen an Schlaf, die ich in den Tagen abbekommen habe. Denn auch nach nur einem Glas Wein fühle ich mich am nächsten Tag oft ein bisschen gerädert und schlafe super unruhig. Na dann, ist doch alles tutti, oder? Schön, dass ich erkannt habe, was andere deutlich gesünder lebende Menschen mir seit Jahren vorleben und was die „Kenn dein Limit“-Flyer mir schon in der 7. Klasse versucht haben, zu predigen. Die ganze Sache hat nur einen Haken: Zeitweise liebe ich einfach die Ekstase.
Sekt im Bauch und Liebe in der Luft

Natürlich habe ich hin und wieder Phasen, in denen ich mich am Wochenende lieber im Bett verkrieche und elendig dem Binge-Watching-Sumpf verfalle. Und zwei Wochen ohne Alkohol sind natürlich auch absolut nicht viel. Die Realität ist aber auch, dass ich mich phasenweise manchmal jedes Wochenende in irgendwelchen WG-Küchen auf Hauspartys, in Bars oder im Club wiederfinde. Ich liebe die Gespräche und Liebesbekundungen meiner Freund:innen nachts um drei auf einer Bartoilette. Ich liebe die Zigaretten, die wir rauchen, wenn wir Unwritten von Natasha Bedingfield grölen, und ich finde das Wabern von Rauch in der Dunkelheit faszinierend. Ich mag das grün-rote Licht von albernen Disco-Kugeln und das Gefühl, mich stundenlang elektrisiert zu elektronischen Beats zu bewegen. Ich mag es, völlig unkoordiniert zu 90iger Hits rumzuspringen oder Lieder von K.I.Z. in die Nacht hinauszuschreien. Ich mag betrunkene Küsse und betrunkene Leidenschaften, denen wir nüchtern oft keinen Raum geben in unserer koordinierten, durchgeplanten, rationalen Welt. Ich liebe bescheuerte Partyspiele, die uns Antworten auf Fragen entlocken, die wir sonst nie gestellt hätten. Und ich liebe es morgens durch die menschenleere Stadt zu spazieren, die Sonne im Nacken, der Bauch voll mit Sekt und Liebe, der Kopf leer und sorgenfrei. Alles leicht.
Payback
Bis ich 6 Stunden später in Embryo-Stellung im Bett liege und darauf warte, dass mein Kopf sich nicht mehr anfühlt als würde ich im Minutentakt gegen meinen Schrank laufen. Und wo der Kater naht, da sind meistens auch die Chili Cheese Nuggets nicht weit! Das mit dem Sport kann warten; erst mal „Bibi und Tina“ gucken – innerlich felsenfest davon überzeugt, Alkohol und Zigaretten nicht mal mehr mit der Kneifzange anzufassen! Ja, nach jeder Ekstase folgt die Quittung und nach jeder Quittung folgt die Ekstase. Vielleicht lerne ich irgendwann nochmal Meditieren und tanze mich dann nüchtern ins nächste High. Bis dahin versuche ich weiter dieses geheimnisvolle sogenannte gesunde Maß zu finden, an dem (glaubt man meinen Eltern) schon Generationen vor mir verzweifelt sind.
Disclaimer: Ich weiß, dass mein Alkoholkonsum phasenweise sicherlich alles andere als gesund ist und ich will Alkohol insgesamt auch überhaupt nicht gut reden. Ich finde es ebenfalls absurd und bedenklich, wie gesellschaftlich anerkannt der Konsum ist – insbesondere auch im Vergleich zu einigen anderen Drogen. Alkohol kann ebenfalls sehr schnell süchtig machen und ich kann mich glücklich schätzen, dass ich in der Position bin, meinen Konsum – und vor allem auch die Pausen davon – stets selbst bestimmen zu können.

Von Alex (26): Alex schreibt am liebsten über Erfahrungen, Gefühle und Erlebnisse, nachdem sie ihre eigenen Gossip Girl-Romane hinter sich gelassen hat. Sie hat es drauf, so zu schreiben, dass man sich abgeholt fühlt und relatet, obwohl man vorher vielleicht nicht wusste, dass man das gefühlt hat; geschweige denn, wie man es hätte ausdrücken sollen. Mit ihrer ansteckenden guten Laune ist sie ein richtiger Herzensmensch, der fantastische Rotwein-Spaghetti zaubern kann.