Ich sehe für mein Alter ziemlich jung aus. Das kann Vorteile im Leben haben. Jung auszusehen, hat mir aber auch schon sehr oft Steine in den Weg gelegt. Vor allem, wenn ich im Job von älteren Kolleg:innen mal wieder nicht ernst genommen wurde.
Letztes Jahr musste ich an der Kasse meinen Ausweis zeigen, als ich Mon Cheri kaufen wollte. Auf meinen ungläubigen Blick in Richtung Kassiererin folgte nur ein Schulterzucken ihrerseits und ein kaugummikauendes „Da ist halt Schnaps drin“.
Wenn Leute erfahren, dass ich bald 29 werde, ist ihre erste Reaktion jedes Mal dieselbe: „Verarsch mich nicht.“ Oder: „Was?! Ich hätte dich jetzt viel jünger geschätzt“.
Eigentlich bin ich mit 1,64 Metern normal groß für eine Frau. Oder zumindest nicht auffallend klein. Aber ich bin zierlich gebaut und habe laut sozialer Norm ein eher mädchenhaftes Gesicht. Auch von eleganten Damenhänden bin ich ein paar Kilometer entfernt, weil meine Hände eher klein und “kindlich” aussehen. Vielleicht sollte ich mir künstliche Nägel machen lassen und viele Ringe tragen, um erwachsener zu wirken. Aber diesen Style fühle ich halt einfach nicht.
Alte Redakteure mit großen Egos
Ich bin noch nicht an dem Punkt im Leben angekommen, an dem ich es als Kompliment empfinde, jünger geschätzt zu werden als ich eigentlich bin. Dann kommen mir manche Leute mit: „Hä, sei doch froh, DanN kRiEgsT dU NicHt sO FrÜh FaLteN“. Cool, danke. Das Problem ist nur, ich bin nicht persönlich gekränkt, weil andere offensichtlich finden, dass ich glatte Haut habe. Mein Problem mit der Sache geht tiefer: Ich werde oft anders behandelt – vor allem im beruflichen Kontext. Nämlich wie eine unerfahrene Studentin, die gerade ihr Praktikum absolviert.
Es waren hauptsächlich männliche, alte Redakteure, die es mir in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn oft nicht leicht gemacht haben. Ich wurde oft belächelt, hinterfragt und nicht für voll genommen. Man kann die krasseste Ausbildung und Berufserfahrung mitbringen – wer jung aussieht (und dazu noch weiblich ist), hat es manchmal schwerer im Job. Ich durfte das schon oft erleben.
Ein Beispiel: Ich habe mal in einer Redaktion gearbeitet und einen deutlich älteren Kollegen diskret per Teams-Nachricht darauf hingewiesen, dass er in der Headline eines Artikels zu einem sensiblen Thema eine sehr unglückliche Wortwahl getroffen hat. Ich habe ihm konkrete Argumente und Studien dazu geliefert, die meine Kritik begründet haben. Seine Reaktion: Mir nicht antworten und sich stattdessen bei der Chefredaktion darüber beschweren, dass „eine junge Studentin“ es sich rausnimmt, seine Texte zu kritisieren.
Problematisch an der ganzen Sache war vor allem die Tatsache, dass meine direkte Vorgesetzte nicht für mich eingestanden ist. Ihr Argument: „Ja, die Altredakteure sind halt so, das hatten wir schon öfter.“ Was den Inhalt der Kritik betrifft, war die Chefetage auf meiner Seite, wie ich später erfahren habe. Mit mir darüber gesprochen hat aber niemand.
Offen sein für konstruktive Kritik ist etwas, das in jedem Beruf, vor allem aber im Journalismus, essentiell ist. Ich musste das auch erst lernen, aber inzwischen kann ich damit sehr gut umgehen und davon profitieren. Von einem Mann, der vierzig Jahre journalistische Berufserfahrung hat, erwarte ich deshalb auch, dass er in der Lage ist, sein Ego zurückzustellen, Kritik anzunehmen und einen konstruktiven Dialog zu führen. Wenn die Kritik berechtigt ist, ist es erst einmal egal, wer sie anbringt. Und ob das eine junge, weibliche Kollegin ist oder nicht, sollte sowieso keine Rolle spielen.
Respekt erkämpfen
Ich habe das Gefühl, ich muss mir bei Antritt einer neuen Stelle den Respekt meiner Kolleg:innen immer erst erkämpfen. Und zwar nicht in normalem Maß, wie das halt bei jeder Person ist, die neu in ein Unternehmen kommt. Es fühlt sich an, als hätte ich zu Beginn eine größere Hürde zu überwinden als Kolleg:innen, die nicht so jung aussehen. Immer wieder sagen mir Arbeitskolleg:innen, dass mein junges Aussehen nicht zu meiner resoluten Art passen würde und dass sie mich am Anfang ganz falsch eingeschätzt hätten. Und da haben wir sie mal wieder: die Vorurteile, von denen wir uns alle nicht freimachen können.
Heute glaube ich, dass all das der Grund dafür ist, dass ich resolute Persönlichkeitszüge entwickelt habe. Ich musste mir ein starkes Auftreten aneignen, um ernst genommen zu werden. Vielleicht wirke ich deswegen heute ab und zu auf manche Personen “streng”, weil ich mich immer mal wieder gegen ältere Kolleg:innen durchsetzen musste, die mir glasklar und ohne Scham signalisiert haben, dass sie mir nicht auf Augenhöhe gegenübertreten. Ich habe erlebt: Respekt muss man sich verdienen, indem man sich beweist. Bis zu einem gewissen Punkt finde ich das auch in Ordnung. Aber nicht, wenn der Ursprung im jungen Aussehen liegt.
Ich habe das Glück, dass ich mittlerweile in Hinblick auf meine beruflichen Kompetenzen selbstbewusst bin. Menschen, die mir im Arbeitsumfeld neu begegnen, merken für mein Empfinden relativ schnell, dass ich mich nicht mehr künstlich kleinmachen lasse. Ich bin mir aber auch sicher, dass es ganz viele andere Menschen mit jungem Aussehen gibt, die dieses Learning für sich noch nicht daraus ziehen konnten. Oder zumindest Schwierigkeiten damit haben, für sich einzustehen. Klar ist auf jeden Fall, dass hier strukturell noch einiges passieren muss.
P.S.: Was ein Rant. Noch kurz was Positives zum Schluss: Mit Ende Zwanzig auszusehen wie eine Teenagerin, kann natürlich auch Vorteile haben. Stichwort Schüler- und Studentenrabatt im Kino. Oder der „Welpenschutz“, wenn man irgendwas verkackt hat. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich das manchmal eiskalt zu meinen Gunsten ausnutze.

Von Fee (28): Während Fee sich früher noch Kurzgeschichten über böse Punker ausgedacht hat, schreibt sie heute als Journalistin lieber Texte über die Gefühle ihrer Generation, über gesellschaftliche Missstände und inspirierende Menschen. Manchmal macht sie auch einen Fernsehbeitrag darüber. Ihr Mitbewohner sagt, sie wäre etwas zu vorwitzig und sollte weniger Fragen stellen, aber sie sieht das anders. Immer am Start: Empathie, der Wunsch, mehr von der Welt zu sehen und Hündin Martha.